Du machst dir ernsthaft Sorgen um ein Familienmitglied, einen Freund oder eine Bekannte? Du vermutest, dass ein psychisches Thema der Grund ist, warum derjenige der dir Sorgen macht, sich komisch benimmt, völlig antriebslos ist oder in letzter Zeit nur noch schlecht gelaunt ist?
Vorweg: ein schwieriges Thema, das mit viel Fingerspitzengefühl und angegangen werden muss und leider, meistens nicht von Erfolg gekrönt ist!
Merke! Es kann auch sein, dass eine physische Erkrankung der Grund für das komische Verhalten ist. Die meisten körperlichen Erkrankungen zeigen nämlich auch Symptome im psychischen Bereich.
Also, bevor du jemanden direkt auf eine Therapie ansprechen möchtest, solltest du erstmal die Gelegenheit suchen um aufmerksam zuzuhören und danach schauen, was wirklich los ist.
Das kann manchmal ein bisschen wie Detektivarbeit aussehen. Hat dein Mensch Schmerzen? …vielleicht Corona gehabt? Gab es einen Unfall? Versuche zu verstehen, was die Auslöser für das ungewöhnliche Verhalten sind.
Natürlich ist hier der Hausarzt der richtige Ansprechpartner. Es ist meistens etwas einfacher jemanden davon zu überzeugen, dass es gut wäre, einen Arzt aufzusuchen, als einen Psychotherapeuten. Gute Hausärzte erkennen auch psychische Symptome.
Wenn du allerdings vermutest, daß es sich um ein reines psychisches Problem handelt, solltest du bedenken:
- Oftmals merken Betroffene nicht, dass irgendwas mit ihnen nicht stimmt. Sie sind sich ihres Leides nicht bewusst und funktionieren einfach irgendwie.
- Niemand möchte auf seine Defizite angesprochen werden, oder bloßgestellt werden! Auch wenn du es gut meinst, kann es schnell passieren, dass der Betroffene sich schämt, verlegen wird und sofort jedes weitere Gespräch in dieser Richtung abblockt.
Die Einsicht, dass man Hilfe braucht ist eine große Hürde. Zur Therapie zu gehen, bedeutet in unserer heutigen Leistungsgesellschaft, dass man schwach ist und sein Leben nicht alleine geregelt bekommt.
Solange der Leidensdruck der betroffenen Person noch nicht groß genug ist und der Alltag einigermaßen funktioniert ist die Motivation bei betroffenen Menschen nicht vorhanden, etwas zu ändern.
Drohungen funktionieren nicht!
„Lass´ dir endlich helfen!“
„Du brauchst einen Psychologen!“
Und ähnliche Sprüche bewirken, dass derjenige, von dem wir meinen, dass er oder sie eine Therapie braucht, zu macht und das Gespräch abbricht.
Wie kann es funktionieren?
Um einen Gesprächstermin bitten. Vereinbare mit deinem Partner, oder Freundin einen richtigen Termin. Sage, dass du ein Anliegen hast, das du gerne in Ruhe besprechen möchtest.
Sorge wirklich dafür, dass die Atmosphäre entspannt und friedlich ist und dass ihr genügend Zeit habt, euch auszutauschen.
Spreche in „ich-Botschaften“: „ich habe gesehen, du wirkst unkonzentriert und hast tiefe Augenringe. Ich mache mir Sorgen um dich. Ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann, aber ich glaube es gibt Menschen, die sich mit sowas auskennen. Wie wäre es für dich, darüber nachzudenken, dir professionelle Hilfe zu anzunehmen?
Wenn dein Mensch sich öffnet, höre einfach zu und vermeide gute Ratschläge, wie „das wird schon wieder“. Frage nach Symptomen und möglichen Ursachen.
Psychische Probleme in einen größeren Kontext bringen: etwa die Hälfte aller Deutschen brauchen einmal im Leben therapeutische Unterstützung. Auch Depression ist eine Erkrankung, die geheilt werden kann.
Erwarte nicht sofort eine Zusage. Gib deinem geliebten Menschen Zeit sich mit dem Thema auseinander zu setzen.
Nerve nicht mit Sätzen wie diesem: „Und, hast du jetzt endlich einen Therapieplatz?“
Biete deine Unterstützung an, wenn dein Mensch dazu bereit ist, zu helfen einen geeigneten Therapeuten zu finden. Manchmal ist die Hürde nicht so hoch, wenn man ein Coaching vorschlägt. Das ist vielleicht erstmal ein Zwischenschritt. Coaches erkennen, wenn eigentlich eine Therapie angesagt wäre und sind in der Lage ihren Klienten dieses nahezulegen.
Manchmal ist es gut, einen Brief an den Menschen zu schreiben, der einem Sorgen macht. Auch hier bitte ich-Botschaften anwenden. So kann man sich selber in Ruhe Gedanken darüber machen, was genau einem Sorgen bereitet. Der Briefempfänger kann sich ebenso in seinem eigenen Tempo damit beschäftigen.
Sei ein guter Freund! Sei einfach für deine Person da, aber teile ihr auch mit, wenn du dich von dem was erzählt wird überfordert fühlst. An so einem Punkt ist es eine gute Möglichkeit nochmal davon zu sprechen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ausnahme!
Der oder die Betroffene ist suizidal! …spricht davon sich das Leben zu nehmen, verletzt sich selbst oder andere.
Sofortige Hilfe ist hier wichtig. Spreche die Person direkt darauf an, sage dass du mit der Situation überfordert bist und rufe den Rettungswagen (112) oder die Polizei (110) mit dem Hinweis, dass Selbstötungsgedanken geäussert wurden, oder andere verletzt wurden.
Lasse bitte den Betroffenen NICHT alleine, bis professionelle Hilfe vor Ort ist.
Spreche ruhig und verständnisvoll mit demjenigen, aber bitte keine Aufmunterungsversuche oder Überzeugungsversuche unternehmen. Betroffene befinden sich in einem absoluten Ausnahmezustand und können auch sehr verletzend in dem sein, was sie in diesen Momenten sagen. Nimm das nicht persönlich. Du kannst fragen, wie es zu der Situation gekommen ist und was es eventuell geben könnte, deinen Menschen davon abzuhalten mit seiner Selbsttötung voran zu gehen.
Vielleicht stellt es sich heraus, dass deine Person sich von dir direkt in eine Psychiatrische Ambulanz fahren lässt.
Wenn es zu einer scheinbaren Entspannung der Situation gekommen ist, kann es sein, dass der Betroffene dieses vortäuscht, um sich dann doch das Leben zu nehmen. Bitte stelle sicher, dass hier professionelle Hilfe ankommt!
Bedenke:
Sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht ist unglaublich schwierig und eine Riesenhürde! Auch wenn du es mit Engelszungen geschafft hast, deinen Menschen zu „überreden“ etwas zu unternehmen, kann es sein, dass dieser den Termin mit dem Therapeuten in letzter Minute absagt.
Aber! WENN du alle deine Überzeugungskünste angewendet hast, Einsicht hervorgerufen hast und Motivation geschaffen hast, hast du ein großes Werk vollbracht und jemandem wirklich geholfen.