Hochsensibilität

Mit Hochsensibilität zurechtkommen

„Stell dich doch nicht so an!“

Wenn du diese oder ähnliche Sprüche („was du immer hast!“ „Leg dir mal eine dickere Haut zu!“) öfter hörst, oder in deiner Kindheit und Jugend gehört hast, kann es gut sein, daß du hochsensibel bist.

Wenn man irgendwann feststellt, dass man weniger stressresistent ist als andere, die Welt um einen herum anders wahrnimmt, mehr Rückzug und Ruhe braucht, ist das erstmal irgendwie beunruhigend.

Das braucht es aber nicht zu sein; du bist nicht allein. Ungefähr 20% der Menschen sind „HSP“ – highly sensitive person – das ist KEINE psychische Störung oder Krankheit, bestenfalls „neurodivers“. Wichtig ist der Umgang mit der Sensitivität! Wie das geht, lernst du in diesem Artikel.

Achtung: die Symptome einer hochsensiblen Veranlagung können von unerfahrenen Therapeuten manchmal als psychische Störungen gedeutet werden, aber das Thema ist mittlerweile in der Forschung gut belegt und wenn du hochsensibel bist, solltest du deinen Therapeuten oder deine Therapeutin darauf hinweisen. 

Am Ende des Artikels findest du Links zu offiziellen, wissenschaftlichen Online-Tests.

Was sind denn überhaupt die Symptome und die Zeichen von Hochsensibilität? 

  1. eine andere Wahrnehmung von Aussenreizen

Alles wirkt intensiver als bei „normalen“ Menschen: Düfte, Geräusche, Farben, Lichter, Bewegungen, Stimmungen anderer. Es werden z.B. Feinheiten und Details gesehen, die andere gar nicht wahrnehmen. Oder aber, eine unsaubere Naht am T-Shirt stört enorm, das Shirt muss gewechselt werden. Auf Kritik von Mitmenschen reagieren Hochsensible oft heftig. Menschenmassen werden sehr oft als herausfordernd angesehen. 

  1. intensivere Reaktionen auf Einflüsse von aussen

Sensitive Personen haben eine tiefere kognitive Verarbeitung von Erlebnissen, daher dauert das Aufarbeiten von erlebtem länger. Hochsensible erleben Anspannung und Nervosität bei Überreizung, die dann zu Verwirrungen, schlechtem Erinnerungsvermögen und sogar Wortfindungsstörungen führen kann, letztendlich Stress. Das kann sich in Verhaltenshemmungen darstellen. Viele HSP reagieren auch hoch-empathisch und spiegeln dann das emotionale Verhalten ihrer Gegenüber wieder. Auch heftige Reaktionen auf Essen sind möglich: z.B. Kaffee macht extrem zittrig, rohe Zwiebeln stören die Verdauung. Oder manchmal verträgt man eine bestimmt Speise, manchmal nicht. 

  1. intensivere Wahrnehmung innerer Reize (Gedanken, Erinnerungen)

Das bedeutet dass das Innenleben von hoher Emotionalität geprägt ist. Gefühle, egal welcher Art, nehmen viel Raum ein. Hochsensible Personen sind oft damit beschäftigt, mit heftigen Gefühlen umgehen zu müssen.

4. Intensivere Reaktionen auf innere Prozesse

Grübeln, Overthinking, innere Unruhe oder ein erhöhtes Bedürfnis für Schlaf, oder Rückzug sind die Folgen vom Verarbeiten der Sinnesreize oder der Vielzahl an Gefühlen.

Wie geht man nun mit seiner Hochsensibilität um?

Zunächst ist es wichtig, zu wissen, ob und wie sehr man hochsensibel ist. Hier können diverse Online-Tests (s. Ende des Artikel) Aufschluss geben. 

Ich selbst hatte bis zu meinem 50. Geburtstag nie im Leben etwas über Hochsensibilität gehört. Und schon gar nicht, wusste ich, dass ich selber eine „HSP“ bin. Ja okay, ich wusste ich bin sensibler als andere und ich hatte es durchaus mitgekriegt, dass ich deutlich mehr sehe, und auch Gerüche intensiver wahrnahm als andere. Das „mehr sehen“ schob ich auf meine künstlerische Ausbildung. Das „mehr riechen“ war einfach so. Mein damaliger Mann sagte immer zu mir ich sei „ein halber Hund“, wegen meines Geruchssinns. 

Nach Parties oder Veranstaltungen mit vielen Menschen brauchte ich immer mehrere Tage, um mich vollständig zu erholen. Ich dachte einfach ich sei ein „Party pooper“, eine lahme Ente. Alles in allem, kam ich zu dem Entschluss, dass ich einfach nicht stressresistent bin und nahm das so hin. Ich wurde oft krank und holte mir so den Rückzug.

Kurz nach meinem 50. drückte mir eine Bekannte das Buch „Zart besaitet“ von Georg Parlow in die Hand und ich bin aus allen Wolken gefallen, dass meine diversen komischen Eigenarten und Symptome einen benennbaren Ursprung hatten. Dieses Buch ist übrigens ein Bestseller, in der 5. Auflage und wirklich zu empfehlen.

Mittlerweile weiß ich, WANN ich Zwiebeln vertrage, auf welche Veranstaltungen ich schon gar nicht hingehe, und was ich tun muss, um nicht „aus dem Lot“ zu kommen.

Das ist das Schöne an der Hochsensibilität im Alter. Man nimmt sich den Freiraum den man braucht und gestaltet sein Leben im Einklang mit der Hochsensibilität. 

Wenn ich daran denke: als ich in den Mittzwanzigern war, wurde mir auf einem Volksfest auf einmal so schlecht, dass ich mich übergeben musste – und ich hatte keinen Tropfen Alkohol getrunken und nichts auf dem Fest gegessen. Die vielen Menschen, die meisten davon angetrunken, alles war einfach zu viel für mein System. Als Kind ist mir sowas beim Einkaufen mit der Oma im vollen Kaufhaus passiert.

Heute bewege ich mich sowieso immer am Rand der Menge, wenn Menschenansammlungen nicht zu vermeiden sind. Du wirst mich nie im Leben auf dem Oktoberfest finden. 

Es ist unheimlich befreiend, so komisch sich das anhört, um seine Grenzen zu wissen.

Und dann auch noch den Mut zu haben ein klares Nein zu sagen…

Ich glaube, das liebevolle Nein sagen ist das wirkungsvollste Mittel, um mit seiner Hochsensibilität klarzukommen. „Nein, ich gehe nicht mit aufs Rammstein-Konzert, das ist mir zu heftig, dazu bin ich zu sensibel.“ Fertig.

Das Wichtigste ist zu wissen, dass man in der Tat anders ist als andere. 

Und dass das völlig okay ist! Also, deine Situation, dich selbst, so akzeptieren wie du bist.

Dann hilft es, sich darüber schlau zu machen, was uns HSP gut tut und was nicht. Und natürlich ist es wichtig für dich zu wissen, was genau im Detail dir NICHT gut tut und das dann auch zu vermeiden. Ebenso kannst du herausfinden, was du brauchst um dich zu erholen? Wald? Ruhe? Ein gutes Buch lesen? Deine Musik hören? 

Ich hoffe, dass dieser kleine sehr persönliche Artikel dir geholfen hat, Menschen mit Hochsensibilität, oder gar dich selbst, besser zu verstehen. Wenn du mehr Unterstützung brauchst, kannst du mich gerne dazu ansprechen.
Es gibt mittlerweile im Netz ein paar tolle Infoseiten:

zartbesaitet.net – auch hier gibt es einen Test auf der Webseite

Hochsensibilität-netzwerk.com – auch hier gibt es einen Test auf der Seite (und ich bin dort auch gelistet, als Ansprechpartner)

und hier ein weiterer, recht ausführlicher Test auf der Psychomeda-Seite

und noch ein Test, der die Struktur der Hochsensibilität untersucht

zurück zum Blog

Pedi Matthies – jameda.de

Hochsensibilität, erhöhte Wahrnehmung, Schlüchtern, Steinau an der Straße, Bad Soden Salmünster, Fulda, Gelnhausen