mentale Gesundheit in einer toxischen Gesellschaft

Warum ist es heutzutage so schwer, mental gesund zu sein?

Weil wir in einer toxischen Gesellschaft leben!

Toxisch bedeutet „giftig“ und/oder „schädigend“. Warum behaupte ich, dass unsere zeitgenössische Gesellschaft toxisch ist?  Weil wir in einem Umfeld leben und arbeiten, das uns oft nicht wohlwollend ist und uns nicht gut tut. Täglich kämpfen wir gegen Informationsflut und Überforderung an und aus den Nachrichten lernen wir, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist. Alles um einen herum steht sozusagen der mentalen Gesundheit im Weg. Aber schauen wir uns das alles mal genauer an.

Systemkonformitäts-Schmiede Schule

Schon in den frühen Kindheitsjahren mussten wir lernen, in einem toxischen System zu bestehen, nämlich der Schule. Schulen sind dazu da, uns für das gegenwärtige gesellschaftliche System zu formen, zu normieren. Es geht nicht primär darum, jedes einzelne Kind in seiner Besonderheit zu fördern, sondern darum, dass alle schreiben, rechnen und gehorchen lernen.

Damit Frieden gewährleistet wird, MÜSSEN wir uns als Gesellschaft auf gewisse Verhaltensweisen einigen, wie z.B. dass wir den Gesetzen folgen und uns einigermaßen zivilisiert benehmen. In dieser Hinsicht ist die Schule durchaus hilfreich. 

Jedoch ist das System Schule so aufgebaut, dass zuerst auf die Fehler geschaut wird und nicht „oh was hat unser Schüler gut gemacht“. Die Klassenarbeiten werden anhand der gemachten Fehler bewertet. Es wird nicht beachtet, mit welchen Begabungen das Kind ausgestattet ist, sondern wie sehr es in der Lage ist, sich in das Verhalten „guter Schüler“ einzuarbeiten. Es wird selten darauf geachtet, aus welchem Hintergrund ein Schüler kommt und was es manchmal bedeutet, wenn eine Aufgabe einfach nur gemacht wurde, wenn auch nicht gut. 

… https://www.walterherzog.ch/cartoons/chancengleichheit/


Die Droge Social Media

Nicht nur dass Handys uns alle zu Dopamin-junkies machen (mehr hier: https://pedi-coaching.de/warum-dein-handy-dich-ungluecklich-macht/. Nein, wir müssen uns auch jeden Tag damit auseinandersetzen, dass immer jemand einen tolleren Urlaub macht als wir, dass immer jemand besser aussieht, coolere Leute kennt, bessere Videos macht, usw. Wir vergleichen uns ständig mit anderen. Das führt dann zu Erwartungen an uns selbst, die wir wahrscheinlich nie erfüllen können. Viele Menschen können sich einfach keinen Urlaub auf den Malediven leisten. Das Vergleichen mit den Influencern und Promis führt dann dazu, dass wir Selbstzweifel bekommen und uns unzulänglich fühlen. 

Weiterhin überflutet uns das Netz mit Informationen. Wir sind als Mensch nicht dazu gemacht, tausende Nachrichten am Tag zu verarbeiten. Unsere Gehirne hängen entwicklungstechnisch gesehen immer noch in der Steinzeit und brauchen auch mal Zeitspannen wo nichts, absolut gar nichts passiert. Wir können manchmal gar nicht mehr unterscheiden, was wichtig ist und was nicht, weil es einfach zu viel ist, was auf uns einprasselt. Wir leben in einer ständigen Reizüberflutung.

Alles optimiert

Im Job haben wir dann den Anspruch, immer gut gelaunt zu sein und zu „performen“. Arbeitgeber wollen uns motiviert und leistungsfähig sehen. Wer Leistung bringt, kommt voran.

Durch das Handy sind wir dauerhaft verfügbar, schnell abends vor dem Schlafengehen nochmal die Mails checken, damit man am morgen schon weiß, was angesagt ist. Selbst im Urlaub kann es vorkommen, dass die Firma anruft, weil dies noch und das noch… 

Durch die Globalisierung und die Schnelllebigkeit verändert sich die wirtschaftliche Landschaft quasi im Minutentakt. Es kann gut sein, dass die Firma für die wir 50-60 Stunden in der Woche gebuckelt haben, schon morgen an die Chinesen verkauft wird und somit der coole Job Geschichte ist. Die Sorge um den Job macht unsicher und es können sogar Existenzängste entstehen.

Wir kommen damit irgendwie zurecht, weil wir um unseren sozialen Status kämpfen. Wir wollen anerkannt und gesehen werden. Wir wollen die Leiter empor steigen, ordentlich Geld verdienen, als Gewinner da stehen.

Damit wir immer volle Leistung bringen können, lernen wir in Achtsamkeitsseminaren in der kurzen Freizeit die wir haben, schnell und effektiv zu entspannen. In den angesagten Start-ups gibt es sogenannte „metronaps“: Kapseln in denen man „schnell mal“ entspannen und sich regenerieren soll. Chronischer Stress begleitet fast jeden. Und einen ordentlichen „Burn out“ gehabt zu haben, gehört ja heute fast schon zum guten Ton!

Konsum und Klimawandel

Dicke Autos, große Häuser, Markenklamotten, Designer-Schnickschnack – das alles sind Zeichen von Erfolg. Allerdings nur von einer Art Erfolg, nämlich erfolgreich Geld verdient zu haben.
Ob wir gute Menschen sind, darauf wird nicht geachtet.
Ein erfolgreiches Leben ist so viel mehr, als nur die Fähigkeit Geld zu verdienen, um zu konsumieren. 

Der Drang nach neuen Produkten, das hinterher hecheln von Trends führt auch dazu, dass finanzielle Belastungen (Überschuldung) entstehen. Wir kaufen Dinge, von Geld das wir nicht haben, um Menschen zu beeindrucken, die wir nicht kennen.

Die Umweltbelastung als Folge des Überkonsums zerstört langsam aber sicher unsere Lebensgrundlage. Die ökologischen Folgen sind im wahrsten Sinne des Wortes katastrophal.

Mittlerweile muss man ja schon bei jedem Sommergewitter damit rechnen, dass die Straßen überflutet werden, oder man von riesigen Hagelkörnern erschlagen wird.

Die Folgen des Klimawandels sieht man nicht nur beim Artensterben oder bei Naturkatastrophen. Die daraus entstehende Zukunftsangst beeinflusst auch junge Menschen: sechs von zehn jungen Erwachsenen haben große Angst vor der Klimakrise und überlegen sogar keine Kinder zu haben (Sinusstudie) und 49% der Jugendlichen schauen pessimistisch auf die Zukunft unseres Planeten.

Das toxische hierbei ist, dass es für den Einzelnen sehr wenig Handlungsfähigkeit gibt. Müll trennen und kürzer duschen können den Jahrhunderte langen Raubbau an unserem Planeten leider nicht rückgängig machen. 

Alles nicht echt

Wir stehen mittels WhatsApp, Facebook, Instagram und Co. im ständigen Austausch mit einer großen Menge an Menschen. Reale Beziehungen, Freundschaften, familiäre Bande werden aber immer nachlässiger gepflegt. …wir sind einfach alle viel zu beschäftigt, um uns Zeit für unsere Freunde zu nehmen. 

Da der Austausch im Internet, durch die Anonymität, oft unhöflich und auch aggressiv ist, färbt das auch unseren Umgang miteinander in der realen Welt. Entfremdung und mangelndes Mitgefühl für einander ist an der Tagesordnung.

Verengte Blickweise

Weil wir heutzutage alles schnell, schnell erledigen wollen, schauen wir hauptsächlich auf die Symptome eines Zustands und nicht nach den Ursachen. Kopfschmerzen? Tablette. Depressionen? Tablette, unruhiges Kind in der Schule? Tablette. 

Es braucht Zeit, das ganze Bild zu betrachten: WARUM habe ich Kopfschmerzen oder Depressionen? Was ist die Grundursache und was kann ich tun, um das Problem zu lösen?

Es fehlt schlichtweg die Zeit eine Situation in Ruhe zu betrachten.

Ausserdem leben wir gar nicht mehr im hier und jetzt. Das was wir denken, gut für uns ist, findet alles in der Zukunft statt: der bessere Job auf den wir uns bewerben wollen, das neue Auto, das wir nicht wirklich locker bezahlen können, die glückliche Beziehung der wir hinterher laufen. So leben wir mit einer permanenten Unzufriedenheit. 

Stress ohne Ende

Jeder (!) Klient in meiner Praxis klagt über Stress. Leistungsdruck, Überforderung, Hektik sind aus unseren Leben nicht mehr wegzudenken. Kein Wunder, dass so viele eine innere Unruhe, bis hin zu Panikattacken erleben. Es ist einfach alles zu schnell, zu viel. Wir versuchen Arbeit, Familienmanagement, Freizeit, Entspannung, Sport, in eine viel zu kleine Zeiteinheit einzuquetschen und leben daher unter permanentem Zeitdruck.

Entspannung muss man sich heutzutage verdienen. Die darf dann im Urlaub stattfinden. Da die meisten Menschen nicht von 100 auf null in einem Tag wechseln können, kommt der ganze Stress erstmal raus und man wird krank. So werden die ersten paar Urlaubstage nicht selten im Hotelzimmer verbracht, weil man einfach zu fertig ist, die freie Zeit zu genießen. 

Wir haben verlernt uns die Zeit zu nehmen, die wir brauchen. 

Das beste Beispiel, was ich viel in meiner Praxis sehe, ist übergangene Trauer. Ein geliebtes Familienmitglied stirbt, aber man ist drei Tage später wieder an seinem Schreibtisch, im Job. Das Rad dreht sich schließlich weiter und man will nicht als Schwächling oder Sensibelchen angesehen werden. Also, wird die Trauer verdrängt, nur um dann Jahre später wieder als Depression aufzutauchen. 

Sinnlosigkeit der eigenen Existenz

Alle Faktoren, die ich oben beschrieben habe, greifen ineinander ein. Soziale Medien, Leistungs- und Zeitdruck, Konsumverhalten, Entfremdung von einander und von der Natur schaden unserer mentalen und physischen Gesundheit. 

Ausserdem gibt eigentlich keinen Raum mehr für spirituelle Erlebnisse. Diese können nur im entspannten Zustand, in der Natur oder mit gleichgesinnten Menschen stattfinden. Und auch nur, wenn wir uns mit unserer gesamten Aufmerksamkeit im hier und jetzt befinden. Es gibt zwar viele „Achtsamkeitsangebote“, wie Yogakurse oder Coachings von bekannten speakern wie Tony Robbins, aber der Großteil davon ist darauf ausgerichtet „besser“ zu werden, sich zu optimieren. Ein absichtsloses verweilen im Moment, ohne Erfolgsdruck ist selten.

 Spiritualität, in welcher Form auch immer, wird nicht mehr als wichtig angesehen. Was wirklich sehr schade ist, denn durch spirituelles Erleben finden wir Sinn und Perspektive. Wir sind als Menschen nicht dazu gemacht permanent zu „performen“ oder zu konsumieren. Finanzieller Erfolg stiftet auf Dauer keinen Sinn. 

Der Weg aus dem Dilemma

Ganz ehrlich, ich weiß auch nicht, wie wir uns aus den Klauen des modernen Lebens befreien. Auf gewisse Art und Weise müssen wir „performen“, liefern, da wir ja alle unsere Rechnungen bezahlen müssen.

Fakt ist, dass die externen Bedingungen, wie oben geschildert, es nicht einfach machen mental Gesund zu sein. Für unsere Gesundheit müssen wir quasi das System bekämpfen. Wie sehr das für den Einzelnen möglich ist, ist fraglich.

Aber vielleicht kann man ein bisschen „downsizen“, weniger konsumieren und dadurch mehr Zeit haben um einfach mal auf einer Wiese zu liegen und die Wolken beim vorbeifliegen zu beobachten? 

Vielleicht kann man sich bewusst für den weniger stressigen Job entscheiden? Vielleicht kann man sich öfter Zeit einplanen, um gar nichts zu tun?